Wenn Daten Geschichten erzählen
Das Potenzial besser verfügbarer Daten greifbar zu machen, ist oft gar nicht so einfach. Partner des NFDI4Biodiversity-Netzwerks haben daher ein neues Erzählform entwickelt: multimediale Data Stories. Die erste dieser Datengeschichten beleuchtet, wie harmonisierte Daten dabei helfen können, rechtzeitig bedrohte Arten zu erkennen.
Daten sprechen lassen: Das sind die NFDI4Biodiversity Data Stories
Während andere Partnereinrichtungen eigene Daten oder technischen Support einbringen, unterstützt das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) mit Sitz in Leipzig die Angehörigen des Konsortiums unter anderem dabei, neue Publikationsformate zu entwickeln. Ziel ist es, Biodiversitätsdaten selbst oder aber ihre Mobilisierung im Rahmen des Konsortiums zu visualisieren, um neue Betrachtungsweisen zu ermöglichen und so das – beim komplexen Thema Daten nicht immer gegebene – Verständnis zu erleichtern. Eines der so entstandenen Formate ist die mithilfe des Storytelling-Tools Pageflow erzählte Datengeschichte. Betrachter:innen können durch einen mit Illustrationen, Karten, Grafiken und Videos angereicherten Artikel scrollen und ein Thema so auf lebendigere Weise kennenlernen, als es rein textlich möglich wäre.
Bestandstrends frühzeitig zu erkennen – dank neu mobilisierter Daten
Im Fokus der Data Story stehen die Süßwasserfische Brachse und Äsche. Während die Äsche als selten und stark gefährdet gilt, kommt die Brachse in deutschen Gewässern noch häufig vor. Zurück gehen allerdings die Bestände beider Arten – eine Feststellung, die durch eine Analyse möglich wurde, die auf der Mobilisierung von Vorkommensdaten aus verschiedenen Bundesländern beruht. Die Data Story Von Ruf und Realität – Warum auch häufige Fischarten schützenswert sind beleuchtet vor diesem Hintergrund das Potenzial einer einheitlichen und länderübergreifenden Organisation von Biodiversitätsdaten – und illustriert das enorme Potenzial der in NFDI4Biodiversity vorangetriebenen Arbeiten. Entwickelt wurde die erste Datengeschichte zusammen mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und dem Rote-Liste-Zentrum, das die Gefährdungslisten für rund 37.000 Tier- und Pflanzenarten veröffentlicht.
Die Daten in der Story: Hintergrund und Entstehung
Die Datengeschichte Von Ruf und Realität – Warum auch häufige Fischarten schützenswert sind stützt sich auf Daten, die im Rahmen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie erhoben wurden. Insgesamt wurden dabei Daten von 72 verschiedenen Fischarten an über 12.000 Probestellen in 12 Bundesländern gesammelt. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1985 bis 2020, wobei ein besonderer Fokus auf den Jahren 2004 bis 2020 lag. Die Beprobung erfolgte hauptsächlich mittels Elektrofischerei – einer effizienten Methode zur Fischbestandsaufnahme.
Die beiden Fischarten, die in dieser Data Story im Fokus stehen, sind die Süßwasserfische Brachse und die Äsche. Die Brachse kommt häufig vor und wird in der Fisch-Community oft als weniger beliebt angesehen, während die Äsche seltener vorkommt und derzeit als schützenswert gilt. Die Auswertung der genannten Daten erbrachte ein differenzierteres Bild: Auch bei Arten, die bisher als häufig galten und bei denen in den letzten Berichten keine Rückgänge verzeichnet wurden, konnte eine Verringerung der Bestände nachgewiesen werden.
Die Data Story beleuchtet zum einen die Auswertung der Daten – zum anderen erörtert sie mögliche Gründe und präsentiert denkbare Renaturierungsmaßnahmen. Letztere zielen darauf ab, den Fischen sichere Lebensräume zu bieten und so langfristig die Bestände zu stabilisieren.
Neue Blickwinkel: Was Daten verraten – und was nicht
Ein zentrales Anliegen der Datengeschichte ist es, neue Perspektiven auf den mobilisierten und harmonisierten Datensatz zu ermöglichen. Ein datenanalytischer Ansatz zielt dabei darauf ab, die Daten nicht nur in ihrer Gesamtheit zu betrachten, sondern auch kritische Überlegungen zu ihrer Qualität, Zuverlässigkeit und Erhebungsmethodik einfließen zu lassen und so die Potenziale, aber auch die Grenzen dessen zu beleuchten, was Daten erzählen können.
Adressat:innen der Data Storys: Fokus auf Datenenthusiast:innen und -manager:innen
Um die diversen Zielgruppen von NFDI4Biodiversity optimal adressieren zu können, wurden im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit frühzeitig vier zentrale Personas entwickelt: fiktive, aber real denkbare Persönlichkeiten, die mit ihren Informationsinteressen als Vertreter:innen unterschiedlichster Zielgruppen fungieren. Für das Format der Data Story ist dabei vor allem die Datenmanagerin Doro relevant, von der wir annehmen, dass sie ein ausgeprägtes Interesse an den Möglichkeiten und Grenzen der zugrundeliegenden Daten hat.
Generell richtet sich die Story aber an alle Datenenthusiast:innen, die sich für das Potenzial, die das zunächst manchmal trocken anmutende Thema Daten birgt, begeistern können. Die Einbindung verschiedener Medien wie Infografiken, Texte und Videos sowie die Möglichkeit, als Betrachter:in in eigenem Tempo durch die Story zu scrollen, bieten dabei einen einfacheren Einstieg, als es übliche Publikationsformate könnten.
Ein besonderes Forschungsinteresse des IfL liegt darüber hinaus darin, Unsicherheiten in innerhalb der Daten zu visualisieren und insbesondere auszuloten, welche Inhalte kartographisch darstellbar sind und welche nicht. Ziel ist es, ein realistischeres Bild wissenschaftlicher Ergebnisse zu vermitteln und Forschung für In- und Outsider transparenter zu gestalten.
Weitere Datengeschichten in Arbeit
Im Rahmen der Zusammenarbeit von NFDI4Biodiversity und IfL wurden bereits mehrere Prototypen von Data Stories entwickelt und auf verschiedenen Veranstaltungen präsentiert, unter anderem auf der NFDI4Biodiversity All Hands Conference 2024, wo das Format den Posteraward gewann (zum Nachbericht), der Jahrestagung der Initiative News-Infographics-Analytics-Maps (NIAM) 2024, den Forschungsdatentagen 2024 und der Tagung des Nationalen Monitoringzentrums zur Biodiversität (NMZB) 2024. Das Format stieß dabei erfreulicherweise stets auf Interesse und bot Anlass für Austausch über die Inhalte der Story sowie auch über das Erzählformat selbst. Eine zweite Datengeschichte, die gemeinsam mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DAA) entsteht, befindet sich derzeit in Fertigstellung.
Kontakt
Autor der Datengeschichte
Robert Köpke | Leibniz Institut für Länderkunde (IfL) | Forschungsbereich: Design und Kuratorische Praxis | r_koepke@leibniz-ifl.de
Öffentlichkeitsarbeit NFDI4Biodiversity
Katharina Frohne | Gesellschaft für Biologische Daten e.V. (GFBio) | kfrohne@gfbio.org
Fachliche Expertise
Martin Friedrich-Manthey | Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) | Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) | Forschungsbereich: Gewässerökologie | martin.friedrichs-manthey@idiv.de